Langsam wird’s peinlich

Lana Del Rey klingt dank Black-Keys-Gitarrist Dan Auerbach auf ihrem neuen Album noch ein Stück traumhafter. Trotzdem sollte sie bald eine neue Inspirationsquelle finden als Sugar Daddys und Bad Boys – sonst könnte ihre Kunstfigur enttäuschend eindimensional bleiben.

Wer schon zu „Video Games“-Zeiten der Meinung war, die Musik der Lana Del Rey würde eher deprimieren als betören, der sollte seiner psychischen Gesundheit zuliebe besser einen großen Bogen um „Ultraviolence“ machen. Das zweite Album des vermutlich größten Pop-Phänomens seit Britney Spears ist noch ruhiger und trauriger geworden. Man könnte auch sagen, das Valium ist allgegenwärtig.

Die vereinzelten Hip-Hop-Elemente und zackigeren Popsongs wie „Off To The Races“ sind komplett verschwunden, stattdessen lässt sich Del Rey noch tiefer fallen in ihren düsteren, opulenten, gehauchten, höchst atmosphärischen „David Lynch goes Hollywood“-Sound. Dass “Ultraviolence“ trotzdem nicht zum Einschlafen animiert, liegt einerseits an der Präsenz der Kunstfigur Del Rey, die sich auch diesmal wieder in der Rolle der unterwürfigen Lolita räkelt. Andererseits verschafft Dan Auerbach, hauptberuflich Gitarrist bei The Black Keys, dem Sound der Gangster-Nancy-Sinatra behutsam einen neuen Anstrich. Das komplexe Werk lullt den Hörer beim ersten Durchgang mit seiner betörenden Pop-Noir-Ausstrahlung schon angenehm ein, wächst dann aber sogar mit jedem Mal. Die clever eingestreuten psychedelischen Momente, Surfgitarren und spannenden Tempowechsel machen „Ultraviolence“ zum opulenten Dreampop-Album, auf dem diesmal Gitarren statt Streicher regieren. Wunderschön.

Trotzdem hat dieses Album ein Problem: die Lyrics. Die Textzeile „He hit me and it felt like a kiss” kennt man schon von den Crystals – das war 1962, und sogar damals war das Publikum entrüstet. Im Jahr 2014 kann man so viel Unterwürfigkeit nur noch ernsthaft rüberbringen, wenn man Lana Del Rey ist. Andere Songtitel schlagen in dieselbe Kerbe: „Pretty When You Cry“ feiert die Schönheit einer weinenden Frau, und auch „The Other Woman“ oder „Sad Girl“ lassen keinen Zweifel daran, worum es Lana hauptsächlich geht: Männer. Was erst mal kein Problem ist, die meiste Musik dreht sich um Liebe. Aber bei Lana geht es nur darum, auf ihren Sugar Daddy oder Bad Boy zu warten, ihn anzuschmachten, ihm zur Verfügung zu stehen, an ihm zu verzweifeln – und trotzdem bei ihm zu bleiben. Im Grunde ist Lana Del Rey eine Demütigung für den Feminismus.

Andererseits ist sie eine erfundene Kunstfigur, die man – wie Lady Gaga oder Miley Cyrus – nicht wirklich ernst nehmen sollte. Und die immerhin  etwas Selbstbewusstsein beweist, zum Beispiel mit Songtiteln wie “Fucked My Way Up To The Top” oder Textzeilen wie “Yeah my boyfriend’s pretty cool / But he’s not as cool as me”. Wenn Del Rey nicht komplett eindimensional bleiben möchte, sollte sie sich beim nächsten Album von anderen Dingen inspirieren lassen, als Männern, die sich nicht für sie interessieren. Solange schmachten und verzweifeln eben beide Seiten, der Star und das Publikum.

Fotocredit: Neil Krug

Text: Antonie Hänel

Veröffentlicht über die Nachrichtenagentur spot on news, u.a. Focus.de

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