Stumme Emotionen: Island in der Volksbühne

Vergesst Wellnesstempel und Walgesänge: Die totale Entspannung findet sich neuerdings im Theater. In diesen Wochen verwandelt sich die Volksbühne an drei Terminen in eine Blaue Lagune für dauergestresste Großstadthirne. Nur Musik, ein Bühnenbild und die eigenen Gefühle dazu. Dieses höchst atmosphärische, ästhetische und tiefenentspannte Wunderland wird uns akustisch und visuell von zwei Isländern eröffnet, die in Reykjavik zur A-Prominenz gehören.

Da wären einerseits Kjartan Sveinsson, der bis vor einem Jahr noch hauptberuflich bei den Post-Rock-Klangkünstlern Sigur Rós am Keyboard tätig war. Und Aktionskünstler Ragnar Kjartansson, der die isländische Kunstszene schon auf der ganzen Welt vertreten durfte, unter anderem als Jüngster seines Landes bei der Biennale di Venezia. Gemeinsam haben sie nun ein Theaterstück geschaffen, das irgendwo zwischen Augsburger Puppenstube ohne Puppen und isländischem Post-Rock-Konzert ohne E-Gitarren liegt. Der bescheidene Name: „Der Klang der Offenbarung des Göttlichen“ .

Von Theater kann dabei allerdings nicht wirklich die Rede sein, es gibt weder Schauspieler, Text, noch Handlung. Was umso erstaunlicher ist, wenn man bedenkt, dass dieses Stück auf einem Roman beruht, nämlich „Weltlicht“ des isländischen Nobelpreisträgers Halldór Laxness. Trotzdem ist es der Soundtrack für das eigene Kopf-Theater, das von einem sehr liebevollen Bühnenbild belebt wird.

Ein Theaterabend ohne überambitionierte Schauspieler und bedeutungsschwangere Interpretationen – die hiesige Theaterkritik ist von so viel reinem Gefühl ohne konkrete Aussage offensichtlich überfordert. Könnte man jedenfalls denken, wenn man die ersten Berichte dazu liest. Freunde von stets stark visuellen isländischen Bands wie Sigur Rós, Björk oder dem Streichquartett Amiina dürften die sprachlose Schönheit allerdings zu schätzen wissen. Und sich auf stimmungsvolle 50 Minuten mit den eigenen Gedanken und Gefühlen freuen.

Fotocredit: Thomas Aurin

Text: Antonie Hänel

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