Zehn Regeln für eine Bilderbuch-Karriere

Mutter, die Jungs mit dem Schick Schock sind da: Der Hype um die Wiener Band Bilderbuch wird immer irrer. Mir erklärte Sänger Maurice im Interview, wie man so groß und sexy wird.

Für das, was gerade um die Wiener Band Bilderbuch passiert, reicht das Wort „Hype“ nicht mehr aus. Absolut einstimmig überschlagen sich die Medien jeglicher Zielgruppen mit Lobgesängen auf die Österreicher. Ihr Album „Schick Schock“ ist zwar alles andere als ein Debüt, fühlt sich aber genauso an. Es ist der große Durchbruch für diese Band, die nach zehnjährigem Reifeprozess klingt wie eine irre Symbiose aus Falco, Prince und Kanye West – auch was Coolness, Sex-Appeal und musikalischen Pioniergeist angeht.

Man könnte den Hype um Bilderbuch gerade mit der neuen, österreichischen Welle erklären, die mit Bands wie Ja, Panik, Wanda und Kreisky momentan den deutschsprachigen Musikmarkt überrollt. Das wird den vier Wienern allerdings nicht gerecht. Während die anderen Bands auf verkopften Indie setzen, haben Bilderbuch die Kraft der Hits auf ihrer Seite. Fast jeder Song auf ihrem Album „Schick Schock“ entwickelt sich nach und nach zum Ohrwurm. Sind die Hörgewohnheiten erst mal geschockt, lässt es sich viel entspannter schicken. Nach einigen Durchgängen tanzt der Hörer zu Singles wie „OM“ oder „Spliff“ durch die Wohnung, grölt lauthals Texte wie „Wenn du Angst vor der Zukunft hast, dann kauf dir ein Pool“ und entdeckt die Erotik eines herunterfahrenden Autofensters.

Man ist sich also einig: Nach zehn Jahren harter Newcomer-Arbeit haben es Maurice Ernst und seine Jungs geschafft, den Markt mit einer ganz neuen musikalischen Ästhetik zu erobern. „Schick Schock“ ist ein akustisches Bilderbuch für die Götter. Damit sind sie auch ein Vorbild für jede Band geworden, die noch im Keller sitzt und vom eigenen Hype träumt. Von den Österreichern kann man viel lernen, weshalb wir das Interview mit dem äußerst sympathischen Frontsänger Maurice Ernst zusammengefasst haben: zehn Regeln für den großen Durchbruch.

1. Geduld
„Wir machen seit zehn Jahren Musik. Am Anfang waren wir froh, wenn außerhalb der Heimat 15 bis 20 Leute zu unseren Konzerten kamen. Mittlerweile sieht das ein bisschen anders aus. Dieses Jahr spielen wir ein eigenes Openair vor 3.500 Leuten. Das ist schon krass. Seit ich Musik mache, hat es in Österreich keine Band gegeben, die in dieser Location alleine ein Konzert gibt.“

2. Musikvideos sind nicht tot
„So eine plakative, also bildhafte, Musik, wie wir sie machen, mit dieser collagierten Aneinanderreihung schöner Wörter, kannst du extrem gut mit Bildern unterstützen. Deswegen war uns das schon immer wichtig.“

3. Mode: Lebe die Band-Idee
Kurz vor unserem Interview wurde Maurice von der „GQ“ zum bestangezogenen Mann Österreichs gewählt. „Ich finde das unglaublich lustig! Jetzt kann ich zu meinem Mitbewohner sagen ‚Siehste mal, jetzt lacht mich keiner mehr aus mit meinen bunten Hemden!‘ Mode geht für uns einher mit der Musik. Ich lebe die ganze Zeit mit der Bilderbuch-Überidee, ich identifiziere mich damit. Da liegt es für mich nahe, dass das Ganze auch so aussieht, wie es klingt. Wir legen da alle echt Wert drauf. Teilweise kann man sich das vor dem Gig vorstellen wie bei so jungen Mädels: ‚Ich möchte das haben – Aber nein, das hab ich mir extra mitgenommen!’“

4. Sei Punk, sei provokant
Das letzte Jahr haben Bilderbuch auf Bühnen verbracht, unter anderem als Support für die Beatsteaks oder Casper. Da hat man es nicht unbedingt leicht. „Die Supportband ist wie der Gruß aus der Küche, bei dem man sich denkt ‚Aber ich wollte doch keine Zucchini-Suppe.‘ Da stehen dann die altgesottenen Rocker, die Hosen – und Ärzte-Fans, und unser Gitarrist spielt zwei Minuten lang mit der Gitarre hinter dem Kopf ein Solo und macht einen auf Virtuosität und ‚Ich bin der schönste Gockel im ganzen Stall‘. Und damit sind wir in gewisser Hinsicht genauso ein kleiner Punker – oder besser Provokateur – wie die Beatsteaks. Man muss einfach sein Ding machen und sich seiner Qualität sicher sein. Dann kann man das auch genießen, die Leute ein bisschen zu ärgern.

5. Selbstbewusstsein
„Wir haben ein paar unserer Songs zu dem ein oder anderen Label geschickt. Gar nicht, weil wir da hin wollten, wir wollten nur auschecken, was die dazu sagen. Die Antwort war immer: ‚Naja, das ist so Musik, wir wissen nicht, wie man das verkaufen soll, das ist schon sehr gewagt…‘ Es ist doch sehr gut zu wissen, dass dein eigenes Gefühl dir am Ende Recht gibt. Wenn du glaubst, es ist gut, dann ist da meistens auch was dran.“

6. Erkenne, wann das Studium/der Job lächerlich wird
„Wir haben alle studiert, ich zum Beispiel Psychologie. Aber irgendwann hab ich gemerkt, dass ich mich damit selbst belüg. Ich hab sogar eine Bachelorarbeit fertiggemacht, als ‚Maschin‘ schon draußen war. Als dann die Auftritte für Casper kamen und das neue Album aufgenommen werden musste, war die Vorstellung schon absurd, zwischendurch noch in die Uni zu gehen. Es wäre fahrlässig und auch ein bisschen feig gegenüber der Chance gewesen, die sich uns geboten hat.“

7. Die Presse ist dein Therapeut
„Ich nutze Interviews gerne, um selbst zu reflektieren. Es ist eine Art Therapiegespräch, man redet mit einer fremden Person, die nicht von der Band ist und mit der man nicht befreundet ist. Man kommt dadurch oft auf neue Perspektiven und fängt an, sein eigenes Ding mehr zu verstehen. Ich finde das teilweise sehr interessant.“

8. Der Hype geht vorbei
„Dass der Hype wieder vorbei geht, ist das Natürlichste der Welt. Angst davor zu haben ist, wie Angst vor der Nacht zu haben. Wir und unsere Fans wissen um unsere Qualität, gerade auch auf der Bühne. Der Hype tut uns gut, aber ich glaube, dass wir längerfristig Berechtigung haben. ‚Schick Schock‘ ist ein tolles Album und vielleicht sogar ein wichtiges Statement in der deutschsprachigen Musik. Ich hab gerade nur wenig Angst, weil ich im Moment einfach echt ein bisschen stolz bin.“

9. Sex sells
Maurice klingt nicht nur wie Prince in seinen versautesten Zeilen, er hat sogar die Macht, einem Autofenster Sex-Appeal zu verleihen. Um das zu verstehen, müssen Sie sich das Video „Maschin“ angucken. Geprobt wurde das Ganze übrigens mit dem VW Golf des Schlagzeugers, was mit Sicherheit nicht weniger erotisch aussah.

10. In Drucksituationen an die Taube von Picasso denken
„Ein Album gipfelt zum Schluss immer in zeitlichen Druck aus. ‚Gigolo‘ ist lyrisch und gesanglich fast komplett am letzten Tag entstanden. Da hat unser Produzent zu mir gesagt: ‚Du machst seit zehn Jahren Musik. Geh da rein und zeig das einfach mal!‘ So ähnlich wie Picasso, der die Taube auf eine Serviette malt und dafür 200 Dollar verlangt. Was er natürlich nur kann, weil er seit 55 Jahren malt. Und dann hab ich mich vor das Mikro gestellt und diesen Text, den ich kurz vorher noch zusammen geschustert und den ich noch nie gesungen habe, einfach runtergerockt. Das ist eine schräge Erfahrung, wenn du auf dem was du die ganze Zeit machst, einfach mal ausrastest und dir bewusst wird: ‚Ok, ich habe die Erfahrung, ich bin gut genug, ich darf das, ich kann das!‘

Fotocredit: Daliah Spiegel

Text: Antonie Hänel

Veröffentlicht über die Nachrichtenagentur spot on news, u.a. Gala.de

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