Wodka & Therapy mit K.I.Z.

Nachdem unser erstes Interview ziemlich gut lief, konnte ich K.I.Z. überreden, mich mit Wodka und dem „Therapy“-Brettspiel in ihre Psyche blicken zu lassen. Sie würden es vermutlich nicht noch einmal tun.

„Ich liebe euch, versklavt mich“, „Mein Herz geht auf“ oder „Heil K.I.Z.“ – das ist die ganz normale Youtube-Kommentar-Realität unter K.I.Z.-Videos. Wir können jetzt von genialen Texten und dicken Beats reden, aber das erklärt das Phänomen noch nicht. Es ist auch diese Mischung aus 15-jähriger Bruderschaft, ehrenlosen Partys, gegenseitiger Wertschätzung, skrupellosem Humor und unendlicher Loyalität, die dafür sorgt, dass 15.000 Leute beim Splash ergeben „Ihr seid alles, wir sind nichts“ brüllen, während sich die Jungs im Konfettiregen gegenseitig Champagner in die Kehlen schütten. Spätestens seit den formvollendeten Propaganda-Videos zum neuen Album und den volksnahen Liveblogs zur Festivaltour, der Erwähnung in den Tagesthemen und den K.I.Z.-Text-Interpretationen von Gregor Gysi kennt die Verehrung für Deutschlands beliebteste Terror-Gruppe keine Grenzen mehr. Einmal mit Nico saufen, mit Maxim trainieren, mit Tarek Leute einschüchtern oder mit DJ Craft feiern – und der Weltuntergang kann kommen!

Die schlechte Nachricht ist: Das wird nie passieren. Die gute Nachricht: Ab sofort habt ihr einige Anregungen, mit denen ihr eure Tag- und Nachtträume untermalen könnt. Bewaffnet mit ein paar Flaschen Wahrheitsserum und den hinterlistigen Fragen eines Brettspiels habe ich versucht, in die Seele eurer Führer zu blicken. Oder zumindest ein paar Fun Facts aufzuschnappen, um den ganzen Projektionen, die K.I.Z. zu euren imaginären besten Freunden machen, mit etwas Realität zu begegnen. Dieser Text ist für jeden Fan, der sich nichts sehnlicher wünscht, als den Jungs einmal ohne Wellenbrecher und Security zu begegnen. Er ist das superexklusive und megasubjektive Kannibalen-im-Zwangsgespräch-Psychogramm.

Tarek

Es ist nicht leicht, der nubische Prinz zu sein: „Ich habe auf jeden Fall die ausschweifendste Fantasie, wenn es darum geht, sich das schlimmste Szenario zu überlegen. Ich bin mir sicher, dass das alles in einem furchtbaren Drama enden wird“. Wenn er im Rausch ist, wird Tareks ausgeprägter Pessimismus sogar noch schlimmer:„Da denkt man schon mal, man ist im Mittelalter auf ‘ner belagerten Burg gelandet. ‚Sie stehen vor den Toren, sie kommen mit Fackeln, wir müssen flüchten!‘“ Er ist innerlich mindestens so zerrissen wie kreativ. Stellt Fragen, von denen er selbst nicht weiß, ob er sie beantworten will. Wäre gerne betrunken, bleibt aber bei Kamillentee. Deutet Geschichten von gebrochenen Nasen an, erzählt sie dann aber doch nicht. Trotzdem ist er ein offenes Buch, weil er laut und deutlich sagt, was er will und noch lauter, was nicht. Außerdem ist er hochgradig neugierig: „Mich interessiert alles. Dinge, die mich nichts angehen am meisten.“

Auch Sil-Yan interessiert sich sehr dafür, wie es wäre, Tarek zu sein: „Ich würde gerne mal einen Tag lang in Tareks Körper stecken.“ Tarek dazu: „Ist nicht so…Können wir aber gerne mal machen, Schatz.“ Tarek glaubt an Dinge wie Schicksal und Karma, weshalb er bis heute auch nicht vergessen kann, dass für ein K.I.Z.-Fotoshooting mal eine Gans sterben musste. „Jede Situation, in der ich unfair gewesen bin, jede Prügelei, jede Anzeige—das war alles nicht so schlimm, wie dass wir diese Gans zu viert festgehalten haben, während der Metzger ihr die Kehle durchgeschnitten hat. Das war feige und böse. Das war richtig falsch.“ Trotz seiner Karma-Theorie kennt er sich gut damit aus, Straftaten vor der Presse geheim zu halten: „Es gilt, um jeden Preis eine Verhandlung zu vermeiden, sonst musst du wahrscheinlich den doppelten Satz zahlen, weil es ein öffentliches Interesse daran gibt, dich zu ficken.“ Tarek kann die anderen übrigens laut dem Punktestand am Ende unseres Therapy-Abends am besten einschätzen. Vermutlich ist das auch der Grund dafür, dass ihn die Frage-Karten schnell gelangweilt haben, woraufhin er sich eigene ausdachte. Zum Beispiel: „Auf welches Elternteil könntest du eher verzichten?“, „Wie würdest du am liebsten sterben?“ oder „Wer hier am Tisch ist der größte Hurensohn?“.

Nico

Wer schon in der achten Klasse mit einem Zylinder auf dem Kopf in der Schule auftaucht, hat selbstverständlich kein Problem damit, in seinem Erwachsenenleben mit Iro und Heavy-Metal-Shirt auf einer HipHop-Bühne zu stehen. „Ich hab das zwar auch gemacht, mich aber auch öfters ein bisschen geschämt. Nico nicht.“, so Maxim über den Exzentriker der Gruppe. Gleichzeitig sieht Nico die Dinge pragmatisch. Als Sil-Yan auf die Frage danach, welcher seiner sieben Sinne am glücklichsten macht, mit „Sehen?“ antwortet, gibt er diesem zu denken: „Bist du schon mal gekommen, in dem du dir einen Porno nur angeguckt hast?“ Nico kann impulsiv sein, was er zunächst abstreiten wollte. Dann fiel ihm aber ein, dass er schon mal ein Loch in den Bunker gehauen hat. Tarek über Nico: „Du bist ein heißblütiger Südländer, sieh‘s ein.“

Nico hat am wenigsten von sich preisgegeben, was während des Gesprächs nicht aufgefallen ist, weil er viel zwischen den anderen vermittelt hat. Tarek dazu: „Nico ist jemand, der seine Sachen nicht unbedingt nach außen trägt. Der macht vieles mit sich selbst aus.“ Der Fuchs, der soziale. Sein brüderliches Fazit des Spiels: Tarek: „Wir kennen uns schon verdammt gut hier.“ Nico: „Ich kenn nur mich nicht.“

Maxim

Eisblaue Augen, ein Körper aus Stahl, ein Kopf, der ihm schlaflose Nächte und verstörende Tagträume bereitet und ein Penis über dem Durchschnitt (Ha! Womit wir auf dem Höhepunkt der Exklusivinformationen dieses Artikels angekommen wären, der Dank geht an Tarek für die Frage: „Maxim, auf einer Skala von 1 – 10, wie groß ist dein Schwanz?“). Maxim sagt Dinge wie: „Sich mit der Gegenwart zu beschäftigen, ist vernünftig, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, kann zermürbend aber auch vernünftig sein und sich mit der Zukunft zu beschäftigen, kann darin enden, dass man plant oder in Panik verfällt. All das sagt aber nichts über die Qualität der Gedanken aus.“

Trotz Alkoholeinfluss präsentiert sich Maxim so reflektiert und professionell, dass er später als einziger keines seiner Zitate zurückziehen will. Von allen bei K.I.Z. würde er wohl den besten Politiker abgeben; er ist einer, auf den man sich auch in einer Katastrophensituation verlassen könnte. Über seine Kannibalen-Kollegen sagt er: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir dieselbe Person sind, was sehr viele Vorteile hat. Aber man ist eben auch voneinander abhängig und füreinander verantwortlich. Wenn ich mich mal daneben benehme, habe ich das Gefühl, ich zieh‘ die anderen auch in die Scheiße.“ Für das Allgemeinwohl hält sich Maxim auch mal zurück. „Wer in der Gruppe ist am aufsässigsten?“, fragt Therapy. „Tarek in der Praxis, ich in der Theorie“, seufzt Maxim. Vielleicht kommen daher seine Schlafprobleme, vermutlich feilt der absolute Perfektionist („Da gebe ich mir eine 10!“) in diesen schlaflosen Stunden ohne Pause an seinen Texten. Eine Sache ist ihm übrigens wichtig: Dass Sil-Yan seine leichte Verunsicherung in Bezug auf drohenden, männlichen Körperkontakt überwindet. Der sagt dazu: „Wahrscheinlich wünschen sich alle, dass ich in Bezug darauf noch lockerer werde, aber Maxim ist auf jeden Fall der, der dann auch versucht herauszufinden, wie weit ich da mittlerweile bin.“ Wiederum Maxim: „Das lassen wir einfach mal so stehen.“

DJ Craft (Sil-Yan)

Sil-Yan aka DJ Craft steht berufsbedingt immer ein bisschen im Hintergrund, hat dafür aber die meisten Überraschungen zu bieten. Er ist der Abenteurer der Gruppe, der für den Augenblick lebt und laut Nico auch mal „ernsthafte Risiken eingeht“. Er war zum Beispiel am häufigsten im Krankenhaus: „Aber da wurde ich umgenietet, das war kein Unfall.“ Er feiert am meisten und schläft am längsten, hat den größten Bekanntenkreis und beeindruckt die anderen regelmäßig mit seinen Qualitäten als Socializer. Tarek: „Wenn eine neue Person im Raum ist, sitzt Sil-Yan sofort daneben und unterhält sich blendend.“ Sil-Yan wäre auch der beste Geheimagent von allen. Nico: „Pokerface, Socializer. Man muss skifahren und schießen können—und beides kannst du verdammt gut.“

Zudem ist DJ Craft (aka DJ Auge aka DJ Sex) von Natur aus sehr touchy und hat selbst in „irgendeinem Dorf in der Nähe von Bremen ’ne Braut am Start“. Maxim denkt, er hat früher viel rumgeflunkert, woraufhin Sil-Yan klarstellt: „Mach ich immer noch, bin nur besser geworden.“ Obwohl er superorganisiert ist, bevorzugt er den zerstreuten Zustand und wählt aus Prinzip den Weg, der die Geschichte spannender macht. „Ich weiß immer, was die richtige Entscheidung wäre, entscheide mich aber oft dagegen, weil ich das langweilig finde.“ Nur zum Schutz seiner Ex-Freundin hat er mal auf eine Prügelei am Kotti verzichtet, als ihn jemand unbedingt provozieren wollte. „Da habe ich mich krass beherrscht. Aber jetzt wühlt mich das gerade wieder ziemlich auf.“ Nico daraufhin: „Komm, wir suchen den jetzt!“

 

Dieser Text ist (ohne die Einleitung) zuerst bei Noisey (Vice) erschienen.

Interview, Text und Fotos: Antonie Hänel

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