Digitale Revolution im TV: „About:Kate“

In der neuen Arte-Serie „About:Kate“ versucht eine junge Frau ihre Identität abseits ihres Facebook-Profils wiederzufinden. Und der Zuschauer ist mittendrin: Mit synchronisierter App, weiterführenden Links und Facebook-Freundschaft. Sind wir nicht alle ein bisschen Kate?

Arte hält der digitalen Welt mit ihren eigenen Waffen den Spiegel vor: In der neuen Serie „About:Kate“ weist sich die 30-jährige Berlinerin Kate Harff selbst in eine Nervenheilanstalt ein. Vorwiegend weil sie gleichzeitig überfordert und gelangweilt ist von ihren eindimensionalen Internet-Freunden und der eigenen Social-Media-Präsenz. Doch in „About:Kate“ geht es weniger um Kate als vielmehr um die Zielgruppe des crossmedialen Projekts – es geht um die ganzen Kates da draußen.

Die 14-teilige Serie untersucht mit vollem digitalen Einsatz, wie unsere Gewohnheiten und Denkweisen durch moderne Technologie verändert werden. Das dürfte mindestens 80 Prozent der 15 bis 35-Jährigen betreffen. Sie können sich dem Thema mit „About:Kate“ über ihre eigene Welt nähern, nämlich der digitalen. Ohne Smartphone, Internet, App und Facebook ist die von der jungen Regisseurin Janna Nandzik geschriebene und von Christian Ulmens Firma Ulmen TV produzierte Serie nämlich nicht im vollen Umfang erlebbar.

Mit seinem Smartphone sitzt der Zuschauer im Idealfall vor dem Fernseher oder Laptop und hat während der Sendung einiges zu tun. Die kostenlose App synchronisiert sich über den Ton und liefert im Minutentakt Links mit popkulturellen Hintergrundinformationen und interaktiven Fragen von Kates Psychotherapeutin, die die Zuschauer beantworten können. Zum Schluss der „Sitzung“ gibt es eine Diagnose – die man natürlich sofort mit seinen Freunden per Facebook teilen kann. Die Mediadaten sind Videos zum Nachtanzen, Songs zum Downloaden, Fußnoten, Internetkram, „weiterführende Literatur“ hätte man früher wohl gesagt.

Wer sich immer noch unterfordert fühlt, kann auch Kates Kunst auf einer Arte-Seite checken oder eigene Werke bei den Ausschreibungen einreichen, die in der Serie eingebunden werden. „About:Kate“ gucken ist wie das nie endende Zeitunglesen im Internet: In jedem Absatz winken drei Links, die noch tiefer ins Thema führen oder eine interaktive Umfrage, an der man sich beteiligen kann. „About:Kate“ ist keine Serie, bei der man sein Abendessen zu sich nimmt. „About:Kate“ ist eine crossmediale Reizüberflutung und damit das Zeitgemäßeste und Modernste, was es derzeit im Fernsehen gibt.

„About:Kate“ ist aber auch eine Sendung ausschließlich für die Zielgruppe. Wer ohne Social-Media-Kompetenzen einschaltet, wird schon die Ästhetik der Sendung, die schnellen Kameraschnitte, die eingespielten Internetschnipsel, den Benutzeroberflächen-Look nicht verstehen. Fast gespenstisch sind etwa die Szenen, in denen das Bild zum Laptopbildschirm wird – vor allem, wenn man die Serie gerade selbst auf dem Laptop ansieht. Als würde eine fremde Maus mit dem eigenen Facebook-Verhalten durch die Profile surfen. Klick hier, Klick da, Foto vergrößern, Ausschneiden, Einfügen, Startseite. Ein sehr vertrautes Bild. Es fühlt sich fast an wie ferngesteuert. Genau, wie Kate sich fühlt.

Wer Kate kennen lernen, oder besser, einschätzen lernen will, kann sich natürlich auch auf Facebook mit ihr befreunden. Ein Profil wie jedes andere: Alter, Wohnort, Studium, Partyfotos, gepimpte Profilbilder, Freunde, die keine sind. Musik, Filme, Serien – stilsicher selektierte Popkultur für das perfekte Selbstbild. Das Profil existiert schon seit über einem Jahr. Die Serie läuft nun seit drei Folgen, immer samstags um 23:45 Uhr. Aber das Zielpublikum ist sowieso schon längst auf Mediatheken umgestiegen. Einer der Vorteile der Technik. Einer der Nachteile: Dass die meisten Freundschaften auf „xoxo“, statt „Hab dich lieb“ basieren.

Fotocredit: Ulmen TV

Text: Antonie Hänel

Veröffentlicht über die Nachrichtenagentur spot on news, u.a. bei Focus.de

 

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